„Es gab mehr als Dany, Joschka und Johnny Klinke“

Wer die riesige Bibliothek durchforstet, die zum Thema „68“ entstanden ist, ist am Ende doch etwas überrascht, wie viele Lücken es gibt und wie selten die Erfahrungen der  Zeitzeugen und vor allem auch Zeitzeuginnen jenseits derer prominenter Protagonisten  dokumentiert sind.

Inzwischen gibt es immer weniger Menschen, die aus ihrer Erinnerung heraus über ihre Zeit vor der Studenten- und Jugendbewegung der 60er Jahre, über ihre Politisierung und Aktivitäten sprechen können. Insofern kommt Projekten, die  lebensgeschichtliche Interviews erfassen, eine besondere Dringlichkeit zu. Sie ermöglichen eine Auseinandersetzung mit dieser Zeit und präzisieren und erweitern analytische Darstellungen um die erinnerungshistorische Dimension von Protest und sozialen Bewegungen. Viele Erfahrungen, politische und individuelle Erkenntnisse, drohen verloren zu gehen, da viele Initiativen der 60er und 70er Jahre kaum systematische Sammlungen zeitgenössischer Dokumente hinterlassen haben. Vieles ist zudem nur über mündliche Erläuterungen nachvollziehbar.

Das Zeitzeug*innen-Projekt des Frankfurter Archivs der Revolte will den widersprüchlichen Spuren des Lebens in einer Umbruchepoche nachgehen. Mein Leben, meine Geschichte(n), mein Selbstverständnis, meine Selbstbestimmung, meine Selbstveränderungen:  das sind Stichworte, unter denen  die persönlichen und politischen Meilensteine des langen roten Jahrzehnts erfasst  und so für kommende Generationen lebendig erhalten werden sollen.

Ziel des Projektes ist es, Aktivistinnen und Aktivisten zu interviewen, um ihre Erlebnisse, Erfahrungen und Erkenntnisse zu dokumentieren.

Das Zeitzeugen-Projekt „Das lange rote Jahrzehnt in Frankfurt am Main in Zeitzeug*innen-Gesprächen (1965-1980)“ möchten wir zusammen mit KooperationspartnerInnen aus  Medien-Einrichtungen und Studierenden umsetzen. …

Mit dem Archivraum in der Mertonstraße 30 (ehemalige Akademie der Arbeit) verfügen wir über einen idealen Ort für diese Gespräche – zwischen Studierendenhaus, Hörsaalgebäude und Karl-Marx-Buchhandlung, im Rücken das Philosophicum, im Archiv die Plakate, Flugblätter, Zeitschriften und Fotos griffbereit. Dies ermöglicht in dieser Konstellation eine bemerkenswert intensive Rückerinnerung.

Bislang fanden (aufgezeichnete) Gespräche statt mit
Fredy Althaus, Karl Bruder, Barbara Dickenberger, Francesco Cavallaro, Sara und Leilia Flora, Katrin Evers, Hermann Kocyba, Bernd Metzger, Tom Meusert, Maya Mosler, Volkhard Mosler, Bruno Schneider, Walter Spruck, Sonja Tesch, Johannes Winter, Norbert Saßmannshausen, Francesco Salatino, Heipe Weiss (Stand August 2022).

Das Frankfurter Archiv der Revolte wird finanziell gefördert von der Stiftung Citoyen!